Rehwild

Rehwild (Capreolus capreolus)

Allgemeines

Das Reh gehört, ähnlich wie das Elchwild, zu den Trug- oder Neuwelthirschen. Als Kulturfolger mit hoher Anpassungsfähigkeit erreicht es in Mitteleuropa Siedlungsdichten, die keine andere Hirschart erreicht. In Deutschland ist das Reh das bedeutendste Jagdwild. Es bewohnt fast alle Lebensräume, von städtischen Parkanlagen und Gärten bis hin zu Meeresküsten und alpinen Baumgrenzen. Ursprünglich ein scheuer Waldbewohner, lebt das Rehwild heute in Sprüngen von bis zu 50 oder mehr Tieren, insbesondere in großräumig landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Hohe Wildbestände können in der Forstwirtschaft durch Verbiss an Bäumen und Sträuchern erhebliche Schäden verursachen. Daher ist neben der Hege der Rehwildbestände auch der planmäßige Abschuss zur Begrenzung der Wilddichte eine wichtige Aufgabe der Jäger.

Kennzeichen

Das Reh ist als typischer Waldrandbewohner ein Schlüpfer (Ducker) mit längeren hinteren Gliedmaßen, die es ihm ermöglichen, sich keilförmig durch das Dickicht zu bewegen.

Haar und Färbung

Haarwechsel: Zweimal jährlich, im Frühjahr und Herbst. Junge Stücke verfärben früher als alte.

Sommerhaar: Kurz, gelbrot bis kupferrot. Der Spiegel ist gelblich und die Schürze der weiblichen Stücke kaum sichtbar.

Winterhaar: Dicht, graubraun oben, grau unten. Der große Spiegel ist schneeweiß, die Schürze bei weiblichen Stücken deutlich sichtbar. Rehkitze haben zunächst ein weiß getupftes Tarnkleid, ab August einfarbig rotgelb. Schwarze Rehe kommen durch genetische Mutationen vor, sind jedoch selten.

Größe und Gewicht

Böcke:

- Gewicht: 10-25 kg

- Schulterhöhe: 60-90 cm

- Länge: 90-140 cm

Ricken:

- Gewicht: 10-20 kg

- Schulterhöhe: 60-90 cm

- Länge: 90-140 cm

Kitze:

- Gewicht: 8-14 kg

Gehörn

Entwicklung: Bockkitze schieben im Herbst des ersten Lebensjahres das rosenlose Erstlingsgehörn, das im Januar/Februar abgeworfen wird. Schwache Bockkitze schieben das Erstlingsgehörn erst im Frühjahr. Jährlinge sind oft Spießer, können aber auch komplexere Gehörne ausbilden.

Fegen: Zwischen März und Juni, ältere Böcke zuerst. Gehörne werden zwischen Oktober und Dezember (Januar) abgeworfen. Das stärkste Gehörn tragen Böcke zwischen 3 und 6 Jahren. Anomalien wie Perückengehörn entstehen durch hormonelle Störungen.

Gebiss

Zahnformel: 0-1-3-3 = 32

Merkmale: Grandeln (Haken) sind selten. Milchzähne werden gewechselt. Zahnwechsel nach etwa 12-13 Monaten abgeschlossen.

Geschlechts- und Alterskennzeichen

Männliche Stücke**: Gehörn, Rosenstöcke sichtbar ab September. Gehörnte Ricken sind selten. Im Winter sind die Geschlechter leicht am Spiegel zu unterscheiden: männlich nierenförmig, weiblich herzförmig mit Schürze. Führende Ricken erkennt man am Gesäuge. Alte Böcke schieben und fegen ihr Gehörn früher als junge. Altersschätzung anhand des Körperbaus: junge Böcke haben einen dünnen, aufrechten Hals und eine gerade Rückenlinie; alte Böcke haben einen dicken Hals, einen deutlichen Widerrist und eine hängende Rückenlinie.

Losung

Sommer: Breiige Klumpen.

Winter: Harte, ovale Beeren. Geschlechter nicht unterscheidbar.

Fährte

Merkmale: Tritt des ausgewachsenen Rehs etwa 45 mm lang und 35 mm breit. Geäfter in Fluchtfährte deutlich. Kein Unterschied zwischen Bock und Ricke.

Sinne

1. Geruchssinn: Rehe orientieren sich vorwiegend mit dem Windfang, nehmen menschliche Witterung auch auf größere Entfernung wahr und flüchten in der Regel.

2. Gehörsinn: Leise Geräusche werden wahrgenommen, jedoch nicht immer richtig identifiziert. Unsicherheit wird oft durch Schrecken signalisiert.

3. Gesichtssinn: Bewegte Objekte werden gut erkannt, starre Objekte weniger. Ein stillstehender Mensch wird oft nicht als Gefahr erkannt.

Lautäußerungen

Warnruf: Das Schrekken oder Schmälen (bö, bö) bei Gefahr oder Unsicherheit.

Verständigungslaute: Fieptöne zwischen Ricke und Kitz sowie während der Paarungszeit. Böcke keuchen beim Treiben der Ricke und fiepen manchmal.

Klage: Durchdringender, langer Schrei.

Lebensweise

Das Sozialverhalten des Rehwildes variiert je nach Jahreszeit und Lebensraum. Böcke sind territorial, Ricken leben territorial und in einer Rangordnung. Im Winter bilden sich Sprünge, meist aus kleineren Familienverbänden. In großen Waldbiotopen bleibt der Sozialverband oft auf Ricke und Kitz beschränkt. Feldrehe bilden in offenen Landschaften große Sprünge. Die Hauptaktivitäten liegen in den Morgen- und Abendstunden.

Lebensraum

Das Reh ist sehr standorttreu, wählt je nach Jahreszeit, Äsungsangebot und sozialem Rang unterschiedliche Standorte. Bevorzugte Einstände sind unterholzreiche Altholzbestände in Waldrandnähe. Im Sommer werden auch Feldgehölze, Buschgruppen, Getreideschläge und Wiesen genutzt. Im Herbst zieht sich das Rehwild in deckungsreiche Wälder zurück. Reine Feldrehe leben das ganze Jahr über in offenen Kultursteppen.

Fortpflanzung

Die Brunft (Blattzeit) findet im Hochsommer (Juli/August) statt, gelegentlich kommt es im November/Dezember zu einer Nach- oder Nebenbrunft. Die befruchteten Eier durchlaufen eine 4,5-monatige Eiruhe, sodass die Tragzeit insgesamt etwa 290 Tage beträgt. Im Mai oder Juni setzt die Ricke 1-3 Kitze, die oft stundenlang abgelegt, aber sorgsam bewacht werden. Die Ricke säugt bis in den Dezember hinein.

Geschlechterverhältnis, Bestandesdichte

Das natürliche Geschlechterverhältnis ist annähernd 1:1, dieses Verhältnis wird auch in den Hegerichtlinien angestrebt. In vielen Revieren überwiegen jedoch weibliche Stücke. Je nach Revier gelten Wilddichten von 6-10 Stück pro 100 Hektar Waldfläche als vertretbar.

Nahrung

Das Reh bevorzugt eine vielseitige Äsung und benötigt sowohl eiweißreiche als auch rohfaserreiche Futterpflanzen. Es frisst Kräuter, Blätter, Triebe, Knospen, Getreide, Hülsenfrüchte, Raps, Kohl, Knollenfrüchte, Laub, Bucheckern und Eicheln. Bei fehlender Äsung entstehen erhebliche Verbissschäden.

Feinde

Wildernde Hunde sind die Hauptfeinde des Rehwildes. Füchse, Wildkatzen, Marder, Steinadler und Uhus sind Feinde der Kitze. In Schwarzwildrevieren fallen einige Kitze auch Sauen zum Opfer. Der Straßenverkehr verursacht die höchsten Verluste.

Jagd

Ansitz und Pirsch sind die Hauptjagdarten. Die Blattjagd, bei der der Bock durch Nachahmen der Fieptöne angelockt wird, ist besonders reizvoll. Beunruhigungsjagden mit kurzläufigen Hunden sind effektiv für den Abschuss weiblichen Wildes und der Kitze. Ziel ist eine tragbare Wilddichte, ein natürliches Geschlechterverhältnis (1:1) und ein ausgewogener Altersklassenaufbau. Abschussrichtlinien variieren je nach Bundesland und unterliegen raschem Wandel.

Jägersprache

Männliche Stücke:

1. Lebensjahr: Bockkitz

2. Lebensjahr: Jährling

3. Lebensjahr: zweijähriger Bock

Weibliche Stücke:

1. Lebensjahr: Rickenkitz, Geißkitz

2. Lebensjahr: Schmalreh

3. Lebensjahr: Ricke, Geiß

Weitere Begriffe:

Kopfschmuck: Gehörn

Hals: Hals

Haarbüschel am Feuchtblatt: Schürze

Gesellschaft von Rehen: Sprung

Weitere Ausdrücke wie beim Rotwild

Rehwild