Grundlagen Wildkrankheiten
Wildkrankheiten
Laut §1 Abs. II des Bundesjagdgesetzes zielt die Hege darauf ab, einen artenreichen und gesunden Wildbestand, angepasst an die landschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten, zu erhalten und dessen Lebensgrundlagen zu pflegen und zu sichern. Um dieser Aufgabe als Jäger gerecht werden zu können, sind Grundkenntnisse über Wildkrankheiten sowie deren Entstehung und Verlauf notwendig.
Ursachen von Wildkrankheiten
Bei der Beschäftigung mit Wildkrankheiten ist es wichtig, deren mögliche Ursachen zu hinterfragen. Aus menschlicher Sicht sind Wildkrankheiten oft Indikatoren für gestörte oder schlechte Lebensbedingungen des Wildes. Daher sollte die Ursachenforschung häufig beim Lebensraum des Wildes beginnen, wie z.B. Standortbedingungen, Wilddichte, Stressfaktoren, Nahrungsangebot und die in demselben Lebensraum existierende Biozönose. In diesem Kontext wirken Wildkrankheiten als unvermeidbarer ökologischer Faktor und spielen als natürliches Regulativ eine wichtige Rolle im Naturhaushalt. Obwohl Wildkrankheiten dem einzelnen Tier Qualen bereiten, werden sie durch die menschlichen Nutzungsansprüche und ethischen Vorstellungen in der Kulturlandschaft zu etwas Negativem, das bekämpft werden muss. Sie werden meistens durch andere, oft mikroskopisch kleine Organismen verursacht, die selbst überleben und sich fortpflanzen wollen, auch wenn dies andere Lebensformen krank macht.

Früherkennung und Kontrolle
Die genaue Beobachtung des Wildes im Revier, auch außerhalb der Jagdzeiten, ist die wichtigste Maßnahme zur Früherkennung von Wildkrankheiten. Abnormales Verhalten, Veränderungen im Haar- oder Federkleid, Verschmutzungen der Analregion, reduzierte Fluchtbereitschaft oder Apathie sind mögliche Symptome, die einen Jäger alarmieren sollten. Häufig werden Wildkrankheiten erst am erlegten Tier festgestellt. Es ist die Pflicht jedes Jägers, das erlegte Tier auf seinen Gesundheitszustand hin zu untersuchen, beginnend beim äußeren Erscheinungsbild bis hin zur Kontrolle der Organe nach dem Aufbrechen. Abnorme Größen, Färbungen, Gerüche, Knoten- und Blasenbildungen sowie Vereiterungen und Blutungen an Organen oder Haut sind sichere Hinweise auf Krankheiten. Besondere Bedeutung kommt den Zoonosen zu, also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragen werden können. Einige Zoonosen sind heilbar, während andere, wie Tollwut oder der Kleine Fuchsbandwurm, tödlich sein können. Auch die beste Ausbildung in Wildkrankheiten kann die fachliche Beurteilung durch einen Veterinär meist nicht ersetzen, weshalb bei Unsicherheiten stets ein Tierarzt hinzugezogen werden sollte.
Infektionskrankheiten
Viruskrankheiten
Tollwut: Die Tollwut ist eine tödliche Zoonose, die durch das Rhabdovirus verursacht wird. Hauptträger und -überträger ist der Rotfuchs. Symptome umfassen hohe Aktivität, Verlust der Scheu, Aggressivität, Beißsucht, Speichelfluss, Lähmungen, Kopfscheuerwunden und Apathie. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch Bisse, wobei das Virus durch den Speichel des infizierten Tieres in den Körper des Opfers gelangt. Vorbeugende Schutzimpfungen für Mensch und Tier sind mittlerweile annähernd risikolos, und es wird empfohlen, Hunde regelmäßig gegen Tollwut zu impfen. Die großflächige orale Immunisierung wildlebender Füchse hat die Tollwuthäufigkeit deutlich reduziert.

Myxomatose: Diese Krankheit betrifft hauptsächlich Wildkaninchen und wird durch ein Virus aus der Gruppe der Pockenviren verursacht. Übertragen wird die Krankheit durch stechende Insekten wie Mücken und Kaninchenflöhe sowie durch direkten Kontakt. Die Inkubationszeit beträgt 3-5 Tage. Symptome sind unter anderem Bindehautentzündungen und Schwellungen im Kopf- und Afterbereich. Die Mortalitätsrate ist bei nicht resistenten Tieren sehr hoch. Eine geregelte Bejagung der Kaninchenbestände kann die Ausbreitung der Krankheit begrenzen.
Schweinepest: Diese Viruserkrankung betrifft nur Schweine und wird durch direkten Kontakt oder infiziertes Futter übertragen. Symptome sind atypisches Verhalten, häufiges Suhlen und Entzündungen an inneren Organen. Bei Ausbruch der Seuche wird eine intensive Bejagung empfohlen, um die Ausbreitung einzudämmen.
Maul- und Klauenseuche (MKS): Diese Krankheit betrifft vorwiegend Haustiere wie Rinder, Ziegen, Schweine und Schafe, kann aber auch auf wildlebende Tiere übertragen werden. Symptome sind Blasen im Mund- und Nasenraum sowie an den Klauen. Wildtiere heilen die Krankheit meist aus, aber bei schweren Verläufen kann es zu Herzmuskelschäden kommen.
Aujeszkysche Krankheit (Pseudowut): Diese Krankheit betrifft vor allem Schweine und wird durch den Verzehr von infiziertem Fleisch übertragen. Bei Hunden verläuft die Krankheit tödlich und zeigt Symptome ähnlich der Tollwut. Bei Wildschweinen sterben vor allem Frischlinge ohne erkennbare Anzeichen, während ältere Tiere die Krankheit oft unbemerkt überstehen.
Atypische Geflügelpest (Newcastle Krankheit): Diese Viruserkrankung betrifft vor allem Hühnervögel und kann durch infiziertes Futter oder Tiere übertragen werden. Symptome sind Durchfall, Atembeschwerden und Bewegungsstörungen. Eine Impfung für Geflügel ist vorgeschrieben, da die Krankheit erhebliche Verluste verursachen kann.
Geflügelpocken: Diese Krankheit betrifft vor allem Rebhühner, Fasanen und Tauben und wird meist von Hausgeflügel übertragen. Es gibt eine milde Hautform und eine schwerere Schleimhautform, die zu Entzündungen im Mund- und Nasenbereich führt. Die Krankheit ist selten geworden, aber befallene Tiere zeigen auffällige Symptome.
RHD (Chinaseuche): Diese Viruserkrankung betrifft Wildkaninchen und führt zu hohen Verlusten innerhalb kurzer Zeit. Symptome sind Atemnot und blutiges Sekret. Die Krankheit breitet sich schnell aus und erfordert eine scharfe Bejagung der Kaninchenbestände.
EBHS (European Brown Hare Syndrome): Diese virale Leberentzündung betrifft Feldhasen und führt zu erheblichen Verlusten, besonders in den Wintermonaten. Symptome sind verminderte Fluchtdistanz und Orientierungslosigkeit. Veränderungen an inneren Organen, wie gelbliche Verfärbungen der Leber, sind typisch.
Staupe: Diese Viruserkrankung betrifft vor allem Hunde und Marderartige und ist für Jagdhunde besonders relevant. Eine Impfung ist dringend empfohlen, da die Krankheit tödlich verlaufen kann. Symptome sind unter anderem Fieber, Atembeschwerden und neurologische Störungen.
Bakterielle Erkrankungen
Brucellose: Diese durch verschiedene Brucellenarten verursachte Krankheit ist eine Zoonose und betrifft verschiedene Wild- und Haustierarten. Symptome sind Lahmheit, Abmagerung und organische Veränderungen. Die Krankheit ist auch für Menschen gefährlich und erfordert strikte Hygienemaßnahmen.

Pasteurellose (Hasenseuche): Diese bakterielle Infektion betrifft vor allem Feldhasen und wird durch ungünstige Lebensbedingungen begünstigt. Symptome sind Apathie, Bewegungsstörungen und Entzündungen der inneren Organe. Die Krankheit kann schnell tödlich verlaufen.
Pseudotuberkulose: Diese bakterielle Infektion betrifft Nagetiere, Hasenartige und verschiedene Wildvogelarten. Symptome sind Blutvergiftung, Magen-Darm-Entzündungen und Abmagerung. Die Krankheit führt häufig zu erheblichen Verlusten in Hasenbeständen.
Salmonellose (Paratyphus): Diese durch verschiedene Salmonellenarten verursachte Durchfallerkrankung betrifft Wild- und Haustiere sowie Menschen. Symptome sind Magen-Darm-Entzündungen und schwere Vergiftungen. Die Krankheit ist in freier Wildbahn weniger bedeutend, kann aber in Geflügelbeständen große Verluste verursachen.
Tuberkulose: Diese durch Mykobakterien verursachte Krankheit betrifft Schalenwild und Vögel. Symptome sind Eiterherde in Lunge, Leber und anderen Organen. Die Krankheit ist selten geworden, aber immer noch gefährlich für Mensch und Tier.
Tularämie (Nagerpest): Diese bakterielle Infektion betrifft vor allem Nagetiere und Hasenartige und ist eine Zoonose. Symptome sind Fieber, Mattheit und Lymphknotenschwellungen. Die Krankheit kann tödlich verlaufen und erfordert strikte Hygienemaßnahmen.
Botulismus: Diese durch Chlostridien verursachte Krankheit betrifft vor allem Wasservögel und führt zu Lähmungen der Muskulatur. Die Krankheit tritt vor allem in warmen, stehenden Gewässern auf und kann Massensterben verursachen.
Aktinomykose (Strahlenpilz): Diese durch Bakterien verursachte Krankheit betrifft vor allem Schalenwild, besonders Rehwild. Symptome sind Knochenschwellungen und Entzündungen im Kieferbereich. Die Krankheit verläuft chronisch und kann zum Tod führen.
Milzbrand: Diese bakterielle Infektion war im 19. Jahrhundert eine bedeutende Seuche des Schalenwildes. Typische Symptome sind blutige Ausflüsse und dunkler Schweiß. Die Krankheit ist eine Zoonose und erfordert strikte Hygienemaßnahmen.
Gamsblindheit: Diese durch Mykoplasmen verursachte Krankheit betrifft vor allem Gams- und Steinwild. Symptome sind Bindehautentzündungen und Hornhauttrübung, die zum Erblinden führen. Die Krankheit hat in der Vergangenheit zu großen Verlusten geführt.
Krankheiten durch Pilze (Mykosen)
Mykosen sind bei Wildtieren relativ selten, aber sie können sowohl innere Organe als auch die Haut betreffen. Schimmelpilze verursachen meist Atemwegsinfektionen bei Federwild. Hautmykosen, wie die Glatzflechte (Trichophytie), treten gelegentlich bei Rot-, Reh- und Damwild auf und sind durch kahle Stellen im Fell gekennzeichnet.
Parasitosen
Parasitosen sind bei Wildtieren weit verbreitet und können sowohl endoparasitär (im Inneren des Körpers) als auch ektoparasitär (auf der Körperoberfläche) sein. Parasiten schädigen ihren Wirt und können zum Tod führen.

Kokzidiose: Diese einzelligen Parasiten befallen vor allem Feldhasen, Wildkaninchen und Fasanen. Symptome sind Durchfall und Verdickung der Darmschleimhaut, was zu schweren gesundheitlichen Störungen und oft zum Tod führt.
Großer Leberegel: Dieser Parasit befällt die Gallengänge der Leber und ist auf Feuchtgebiete angewiesen. Symptome sind Leberblutungen und Organversagen.
Trichinose: Diese Zoonose betrifft vor allem Schwarzwild und wird durch den Verzehr infizierten Fleisches übertragen. Symptome beim Menschen sind Magenschmerzen, Durchfall und Muskelschmerzen. Eine gesetzliche Pflicht zur Trichinenschau besteht.
Magen- und Darmwürmer: Diese Parasiten befallen Schalenwild und Schwarzwild und verursachen Entzündungen des Verdauungstraktes. Symptome sind Durchfall und Schwächung bis zum Tod.
Lungenwürmer: Diese Parasiten befallen vor allem Schalenwild und führen zu Atembeschwerden und Kümmern. Symptome sind Husten und verminderte Kondition.
Bandwürmer: Diese Parasiten befallen den Darmkanal von Wirbeltieren und können auch als Zoonosen gefährlich sein. Der Kleine Fuchsbandwurm und der Dreigliedrige Hundebandwurm sind besonders gefährlich und erfordern strikte Hygienemaßnahmen.
Kreuzlähme: Die Ursache dieser Krankheit ist unklar, aber sie führt zu Lähmungen der Hinterläufe und meist zum Tod. Sichtbar erkrankte Tiere sollten erlegt werden.
Luftröhrenwurm (Syngamose): Diese Parasiten befallen vor allem Fasanen und Rebhühner und führen zu Atembeschwerden und verminderter Aktivität. Symptome sind Kopfschleudern und hörbare Atemgeräusche.
Rachenbremse und Hautdassel beim Rehwild: Diese Parasitenlarven verursachen Husten, Schnarchen und Entzündungen. Symptome sind Atembeschwerden und Gewichtsverlust.
Ektoparasiten
Räude: Diese Hautkrankheiten werden meist durch Sarcoptesmilben verursacht und betreffen Gams-, Steinwild und Füchse. Symptome sind Schuppenbildung, Haarausfall und Krustenbildung, die zum Tod führen können.

Zecken, Haarlinge, Federlinge, Flöhe, Hirschlausfliege: Diese Ektoparasiten verursachen verschiedene gesundheitliche Probleme und können Krankheiten übertragen. Zecken sind besonders gefährlich, da sie Krankheiten wie FSME und Borreliose auf den Menschen übertragen können. Haarlinge und Federlinge verursachen Juckreiz und Unruhe beim Wild. Flöhe sind Überträger von Krankheiten wie Myxomatose und Tularämie. Die Hirschlausfliege befällt Rot- und Rehwild und verursacht Juckreiz und Unruhe.
